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Wie semantische Technologien demokratische Strukturen unterstützen können

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Holger Wollschläger ist leidenschaftlicher Verfechter einer offenen e-Government-Welt. Der IT-Berater im Strategiefeld “Partnerlösungen” möchte im Zuge seiner Zusammenarbeit mit den kreativen Köpfen der Verwaltung, der Forschung und den Bürgern nicht nur dabei unterstützen, die demokratischen Strukturen offener und effizienter zu gestalten. Vor allem sieht er in den öffentlichen Verwaltungen einen bislang verborgenen Datenschatz, der sowohl für die Bürger als auch für die Entscheidungsträger eine Unmenge an wichtigen Informationen bereithält. Seit 2003 verantwortet er deshalb bei der Lecos GmbH, dem IT-Dienstleister der Stadtverwaltung Leipzig, die Schwerpunkte Datenintegration und e-Government. Die Potentiale der verborgenen Daten sind für Holger Wollschläger vielfältig. Wie würden zum Beispiel visualisierte verlinkte Daten zu den Aspekten Umgebungslärm, Verkehrsanbindung, Bildungsmöglichkeiten und Bauplanung die Entscheidung der Bürger bezüglich ihrer Wohnortwahl unterstützen? Oder die zukünftige Stadtplanung an sich - gerade auch im Kontext einer Optimierungs- oder Bedürfnis-Analyse? Die Möglichkeiten sind für Holger Wollschläger zumindest noch lange nicht ausgereizt.

Holger Wollschläger

Wie können Linked Data und Semantic Web in Zukunft den Dialog zwischen Staat / Behörden und Bürgern verbessern?

Die Bereitstellung von öffentlichen Verwaltungsdaten hat zwei Ebenen: eine wirtschaftsfördernde und eine im Rahmen der kommunalen Verwaltung. In Bezug auf den Wirtschaftsförderfokus sehe ich vor allem die folgenden Entwicklungsmöglichkeiten:

  • Das Veröffentlichen von Daten in verschiedenen Repräsentationsformaten ermöglicht es Unternehmen, neue Applikationen zu entwickeln, die bis dato aufgrund fehlender oder verborgener Daten schlichtweg nicht möglich waren oder an die bisher nicht gedacht wurde.
  • Die Bereitstellung von Daten mit lokalem Bezug ermöglicht auch die Entwicklung neuer lokaler Geschäftskonzepte, die für die jeweilige Stadt einzigartig sind.
  • Weiterhin geben diese Daten Unternehmen die Möglichkeit, sich besser für einen neuen Standort zu entscheiden. Sie werden also auch zu Argumenten im Kampf der Städte um starke Wirtschaftspartner.
  • Aufgrund des offenen Austauschs zwischen Verwaltung, Unternehmen und Bürgern lassen sich Datenlücken schneller identifizieren und gezielt schließen. Datensätze und Analysen können also gezielt weiterentwickelt und optimiert werden. Damit wiederum können auch die wirtschaftlichen Angebote verbessert werden.
  • Die Bürger werden Partizipanten eines sich selbst entwickelnden App-Ökosystems, das immer wieder neue, spannende Applikationen, Datenvisualisierungen und Diskussionsansätze eröffnet.

Das kommunale Government profitiert natürlich von einer besseren Kommunikation innerhalb der Kommune (also zwischen Verwaltung und Bürgern), aber auch zwischen den kommunalen Behörden:

  • Vokabulare und Taxonomien würden die Kommunikation und Datenintegration zwischen den Kommunen vereinfachen.
  • Gleichzeitig könnte damit Bürgern eine Basis zur Verfügung gestellt werden, selbst relevante und interessante Daten und Informationen bereitzustellen und in die öffentlichen Daten zu integrieren.
  • Die Mehrsprachigkeit der kommunalen Angebote könnte weiterentwickelt und erleichtert werden. Das ist insbesondere im Zuge der Zuwanderung und Integration eine nicht zu verachtende Herausforderung im öffentlichen Sektor.
  • Die Visualisierung und dynamische (teilautomatisierte) Weiterentwicklung öffentlicher Verwaltungsdaten würde die Transparenz in den demokratischen Strukturen erhöhen und die Basis für einen Dialog zwischen Verwaltung und Bürgern auf Augenhöhe erlauben.
  • Veröffentlichte Informationen (Ressourcen) können aus Dokumenten und anderen Ressourcen eindeutig referenziert werden. Das erhöht die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Informationen.
  • Die Schemata können ebenfalls als “Development-Unterstützung” zur App-Entwicklung herangezogen werden, um Bürgern die Services auch im Alltag - also auf dem Smartphone und nicht nur über eine Webseite - zur Verfügung zu stellen.

Wo gibt es aktuell noch Engpässe bei der Umsetzung dieses Dialogs?

Ich sehe bisher immer noch eine Diskrepanz zwischen Bürgerbedürfnis und Verwaltungs-Maßnahmen. Das ist nicht einmal unbedingt auf Unwillen zurückzuführen, sondern in erster Linie an den fehlenden bzw. eingeschränkten Möglichkeiten, die Bedürfnisse der Bürger wahrzunehmen oder “vorherzusehen”. Es mangelt noch an Plattformen und Daten, um auch in der Verwaltung kreativ an Entscheidungen heranzugehen. Ein Hauptproblem ist hier sicherlich, dass der Verwaltung die Ressourcen fehlen, um ihr Angebot ständig weiterzuentwickeln. Letztlich muss der Dialog mit den Interessenträgern in der Bevölkerung aktiv initiiert und gelebt werden. Und um eine wirkliche Mehrheit in der Interessensbekundung zu erreichen, muss es einfache Möglichkeiten und Tools sowie eine klare, offene und transparente Kommunikation geben, die zum Dialog einlädt. Nicht jede/r hat die Möglichkeit, werktags an öffentlichen Diskussionen im Rathaus teilzunehmen.

Wie hilft das LEDS-Projekt, die Demokratisierung und Bürgerbeteiligung im Netz zu verbessern?

Im Rahmen von Linked Enterprise Data Services entwickeln wir eine übergeordnete Hierarchie-Ebene, die Daten aus verschiedenen öffentlichen Datenquellen einheitlich abgreifen und zusammenbringen kann. Das ermöglicht dann zum Beispiel auch ein Live-Sichten der Daten.

Dieser Ansatz hat drei Ziele:

  1. Vergleichbarkeit von Kommunen in Sachsen - und perspektivisch auch innerhalb des gesamten Bunds - auf Basis einer Vielzahl von “Performance”- und Entwicklungsdaten.
  2. Förderung der Analyse städtischer Rahmenbedingungen und Maßnahmen und der Entwicklung neuer Konzepte im Rahmen akademischer Arbeiten.
  3. Daraus abgeleitet, die Verbesserung der Entscheidungsfindung in den Verwaltungen in Bezug auf das eigentliche Bürgerbedürfnis.

Interview, LEDS, SEMANTiCS 2016